Neue Gewerbeflächen für Itzehoe nur mit Fantasie und Kooperation

Interview

Itzehoe hat sich als Hightech-Standort einen Namen gemacht. Aber gibt es in Zukunft überhaupt noch Platz für Expansion und Neuansiedlungen?

Eva Gruitrooy (Grüne) leitet den Stadtentwicklungsausschuss, Claudia Buschmann (CDU) den Wirtschaftsausschuss. Im Doppelinterview stellten sie sich Fragen zur wirtschaftlichen Entwicklung Itzehoes.

Vishay hat eine große Expansion angekündigt, Walter Otto Müller will erweitern, das Innovatorium ist auch schon ausgebucht. Northvolt steht in Heide auf der Matte und strahlt in die Region. Hat Itzehoe noch genug Gewerbeflächen?

Gruitrooy: Es ist bekannt, dass Gewerbeflächen recht knapp sind. Itzehoes Stadtfläche ist begrenzt. Wir haben bei der Erweiterung des Izets gesehen, wie schwierig das ist und haben mit den Umlandgemeinden Verträge geschlossen. Wir werden viel Fantasie aufbringen müssen, um gegebenenfalls neue Gewerbeflächen zu erschließen.

Buschmann: Was Sie meinen, sind interkommunale Gewerbegebiete. Der Charme ist, als Region etwas zusammen zu bewegen. Wir stehen vor einer ganz großen Herausforderung und müssen alle versuchen, unseren kleinen Berg zusammenzuschütten, damit wir einen großen bekommen. Was mich ein bisschen erschrocken hat: Wir waren alle total begeistert von der Westerweiterung des Innovationsraums: Brutto waren es 51 Hektar. Als sie vorgestellt wurde, ist sie zusammengedampft auf 23,98 Hektar und das größte Einzelstück sind jetzt zehn Hektar. Eine kleine Batteriefabrik fängt bei 20 Hektar an. Wir haben den positiven Stempel Innovationsraum an der Westküste, das können wir ganz klar ausbauen. Mein großer Traum wäre, dass wir irgendwann noch eine Hochschule zu dem Thema ansiedeln.

Aber auch dafür bräuchten wir ja Fläche.

Gruitrooy: Ich denke, dass wir da ressourcenschonende Lösungen entwickeln müssen. Wo gibt es zum Beispiel Flächen, die noch ungenutzte Brachen sind. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man auf den Standorten, wo wir schon sind, noch etwas draufsetzt.

Also Expansion in die Höhe?

Gruitrooy: In die Höhe, wenn der B-Plan das zulässt – gegebenenfalls muss dieser geändert werden. Man muss immer nach den Gegebenheiten gucken. Es ist schwer auf Vorrat zu denken, weil man nicht weiß, was kommt.

Buschmann: Aber ich glaube schon, dass wir ein Stück weit vorausdenken müssen, weil die Entwicklung grade in dem Sektor so schnell geht. Wenn die Investoren da sind, sagen die: Wir wollen jetzt Flächen, sonst gehen wir woanders hin. Deshalb müssen wir in die Zukunft denken. Zumal wir jetzt die Chance des Jahrhunderts haben. Sonst waren es in Schleswig-Holstein immer Kiel und die anderen. Dadurch, dass Northvolt kommen soll, haben wir die Möglichkeit, viel mehr zu fordern. Von Infrastruktur bis hin zur Hochschule. Da müssen wir einfach mal frech sein und uns trauen.

Sie sprachen den „Flächenschwund“ von 51 auf 24 Hektar an. Das ist ökologischen Aspekten geschuldet. Müssen wir uns darauf einstellen, da mehr machen zu müssen?

Gruitrooy: Die Firmen haben Interesse daran, die klimaneutrale Nachweiskette von vorne bis hinten durchzuziehen. Das wird immer mehr kommen. Es ist sehr wichtig, dass wir ressourcenschonend und weitestgehend klimaneutral vorgehen.

Buschmann: Und es passt ja auch in das Image, das wir uns geben wollen als Energiewendeland Schleswig-Holstein. Bayern guckt schon zu und denkt sich „Mist“. Die haben wir ja um Längen überholt. Erneuerbare Energien und Klimaschutz sind unsere Themen. Wenn Firmen jetzt zu uns kommen, bieten wir nicht nur Gewerbeflächen, sondern auch das Rundum-Sorglos-Paket, was das grüne Image angeht.

Ist das denn mehr als nur ein Trend?

Gruitrooy: Die Firmen sind, was ökologische Standards anbelangt, schon viel weiter als die Politik. Die sehen die Trends und wollen das. Rein ökonomische Gesichtspunkte sind da nicht allein ausschlaggebend. Unsere Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen bereit zu stellen. Deshalb würde ich gerne enger mit Firmen und Wissenschaft und Forschung zusammenarbeiten, um zu hören, was wirklich nötig ist.

China Logistik Center und Alsen sind große Gewerbeflächen, die beide in privater Hand sind. Hat die Stadt da noch genug Einflussmöglichkeiten, um beispielsweise große Versandlager verhindern zu können?

Gruitrooy: Ich sehe auf Alsen nicht, dass dort ein Gigaprojekt von der Größe hinpasst.

Buschmann: Jeder, der nach Itzehoe reinfährt, guckt da hin und sieht einen leerstehenden Supermarkt. Das ist kein so schönes Aushängeschild. Ich finde es schade, dass die Gespräche mit dem Eigentümer nicht gefruchtet haben. Wenn es sich im Eigentum der Stadt befände, könnte man hier schneller und erfolgreicher etwas entwickeln.

Gruitrooy: Ideen hätten wir mit Sicherheit.

Buschmann: Ich glaube, CLC hat auch viele gute Ideen und wird sein Areal nachhaltig entwickeln. Man muss den Unternehmen zutrauen, dass sie gute Entscheidungen treffen. Ansonsten wären wir im Kommunismus.

Sie sprechen immer von Hightech und Forschung. Was ist denn mit den anderen Betrieben, die vielleicht expandieren möchten. Hat Itzehoe die auch auf dem Zettel?

Buschmann: Ich finde es ganz wichtig, wenn wir über Hightech sprechen, dass wir die anderen Unternehmen nicht vergessen. Sie sind der Mittelstand, den wir hegen und pflegen müssen. Sie schaffen Arbeitsplätze und sorgen mit ihrer Gewerbesteuer für den Wohlstand unserer Stadt. Ich finde, wir haben mit Wirtschaftsförderer Thomas Carstens jemanden, der da sehr, sehr gute Arbeit leistet.

Die Stadt sagt, gewisse Gewerbeflächen sind für Hightech-Firmen vorbehalten. Damit wird für andere Firmen was vom Markt genommen.

Buschmann: Für die haben wir Dwerweg Nord grade erschlossen. Trotzdem müssen wir noch mal im Ausschuss sprechen. Wenn wir Flächen wirklich auf Hightech beschränken, wären wichtige Firmen wie Walter Otto Müller oder Pano gar nicht da oben angesiedelt. Wenn wir beispielsweise Zulieferer für Northvolt bei uns haben wollen, hätten die gar keine Chance mit der Hightech-Klausel.

Gruitrooy: Weil die Ressourcen in Itzehoe begrenzt sind, müssen wir klug gestalten und umbauen. Mit Klein-Klein-Fragestellungen im Ausschuss werden wir nicht weiter kommen. Da brauchen wir ganz andere Formate, um diese Entwicklung, die auf uns zukommt, gemeinsam gut zu steuern – mit dem Umland. Damit das gut wird und von Itzehoe etwas Innovatives ausgeht.

Kann das so weit gehen, dass man sagt: Tut uns leid, wir können leider nichts anbieten, aber interkommunal vermitteln.

Gruitrooy: Wir müssen mehr als Region denken und Zukunftsmodelle priorisieren. Märkte globalisieren sich, da können wir nicht bei der Kirchturmpolitik bleiben.

Buschmann: Deshalb finde ich es wichtig, dass wir mit dem Kreis zusammenarbeiten. Aber auch überregional. Es gibt ja schon die Kooperation Westküste. In Heide haben sie wegen der Ansiedlung von Northvolt eine Taskforce gegründet. Sowas brauchen wir auch für uns. Wir sind alle zu Recht euphorisiert und stehen vor einer einmaligen Chance. Aber das muss gebündelt werden.

Wie realistisch ist das?

Buschmann: Wir haben eine Idee in der gemeinsamen Sitzung der Wirtschaftsausschüsse von Stadt und Kreis entwickelt: Eine Stelle, die irgendwo angesiedelt ist, wo schon bestehende Strukturen genutzt werden können. Da ist das Stichwort Izet gefallen, weil Stadt und Kreis dort zu jeweils 47 Prozent Gesellschafter sind.

Sind Sie denn zuversichtlich, dass das auch kommt?

Gruitrooy: Ich bin mir sehr sicher, dass wir da sehr aktiv rangehen werden. Wir können so eine Entwicklung ja nicht einfach davonschwimmen lassen. Da sehe ich eine große Einigkeit, dass wir die Region weiter entwickeln.

Buschmann: Ich habe selten eine so große Einigkeit bei einem Thema gesehen.

Gruitrooy: Guten Ideen folgt das Geld. Wenn wir hier gute Ideen entwickeln, werden hier auch Menschen investieren.